Der „Holländer“ kracht in Budapest mit einer „dramatischen Ballade“ ins ungarische Wagnerjahr 2013
Budapest präsentiert den „Fliegenden Holländer“ als „dramatische Ballade“ und will sich so in der Menge der Aufführungen behaupten. Ob es gelungen ist, lesen Sie hier. …
Zum 200. Geburtstag des Komponisten Richard Wagner muss sich jeder Veranstalter im Wissen um die unendlich vielen Aufführungen etwas Besonderes einfallen lassen, um mit der Flut der Wagner-Vorstellungen und -Interpretationen nicht weggespült zu werden. Das ungarische Augenmerk liegt heuer dabei auf dem „Fliegenden Holländer“. Nach Abschluss seines ersten Entwurf in Paris tendierte Wagner zu der Meinung, es sei besser, die neue Arbeit nicht als Oper zu beschreiben, sondern als „dramatische Ballade“. Die ungarische Staatsoper Budapest entschied sich für eine in diesem Sinne weniger häufig durchgeführte Version anlässlich der 2013 Premiere.
Zunächst einmal sollen, das ist sicher beim „Holländer“ erste Pflicht, Orchester und Chor gewürdigt werden. Hier kommen diese beiden bestens weg, und lassen es so richtig im Budapester Opernhaus krachen. In der Regie von Janos Szikora liefern die Protagonisten und vor allem die Männer- und Frauenchöre ein lebendiges und attraktives Spiel auf der Bühne ab, was man bei Wagner-Inszenierungen der Staatsoper in der Vergangenheit leider oft vermissen musste. Die Kostüme von Krista Berzsenyi spielen mit Blau-grau bei den Lebenden, mit aufgedruckten Bildern und im Facebook Sinn „I Like“ der Liebenden. Beim Auftauchen der Mannschaft des Holländers in Ganzkopfmasken und rotfarbigen Accessoires werden die Vorahnungen, die schon in den Roben des Holländers und der Senta auftauchen, zu einem farbigen am Ende alles verschlingenden Feuerball.
Ein Set aus gespannter Stretch-Gaze lässt Eva Szendrenyi bühnenhoch in eine Rückwand und Mittelpunkt aus LED-Lichtern fließen lässt, worauf und woraus Licht- und Videospiel ein mystische Atmosphäre kreieren. Das auf der Höhe der Technik perfektionierte Bühnenbild trägt in großem Maße die Idee der Inszenierung von Janos Szikora. Jeden noch so kleinen Aspekt der „Ballade“ ordnet der Regisseur seiner Idee vom mystischen Holländer unter. Das ganze Werk wird eine einzige Hommage an die Mystik, die alles durchflutet und ausstrahlt, auch in noch so realistischen Momenten.
Ein stimmlich robuster Thomas Gazheli kann eben noch dem gewaltigen Orchester unter Janos Kovacs standhalten, routiniert liefert er den „Holländer“ ab. Gyöngyi Lukacs scheint stimmgewaltig mit ihrer Rolle als Senta verwachsen. Körperlich und stimmlich hat sie die beste Präsenz und macht so den ihr Fach fremden Holländer zu einem Ereignis in dieser Aufführung. Auf ihre Lady Macbeth im Mai des Jahres möchten wir uns jetzt schon freuen. Die Kossuth-Preisträgerin glänzte bereits im Budapester Palast der Künste als hochgelobte (und jüngste) Tosca, so dass ein Wiedersehen in dieser Rolle ein Genuss sein dürfte, zumal ihr Gegenpart von Attila Fekete (Cavaradossi) gesungen wird, der sich im Holländer als Eric bravourös behauptete, was man übrigens von der gesamten Crew ausnahmslos sagen darf: Andras Palerdi als Daland, Istvan Horvath als Dalands Steuermann und ebenso Annamaria Kovacs als Mary.
Die Budapester Oper ist mit ihren Inszenierungen im 21. Jahrhundert angekommen, der diskrete Charme der 70ger Jahre scheint (zum Glück) verblasst. Mehr und mehr mag man sich wieder auf das erste Haus in Ungarn freuen. Daran versucht sich auch der neueste „Don Giovanni“, der leider jedoch wieder einen Rückfall in die doch hoffentlich beendete Zeit des Stehtheaters ausmacht. Diesen Wehrmutstropfen lassen hervorragende Stimmen zum Glück ein wenig verblassen, darunter Csaba Szededi, Klara Kolonits, Dovlet Nurgeldiyev, Geza Gabor, Beatrix Fodor und ein außergewöhnlich strahlender Gabor Bretz. Letzterer alterniert im Fliegenden Holländer 2013 in der Rolle des Daland. Drei Inszenierungen des 2010 gefeuerten ungarischen Regierungsnonkonformisten und im Westen bekannten und geschätzten Regisseurs Balász Kovalik (Eugene Onegin, Turandot, Xerxes), werden im Frühjahr d.J. sicher wieder zu einem weiteren internationalen Imagegewinn der Ungarischen Staatsoper beitragen. Lasst uns mal sehr gespannt darauf sein. (Dr. h.c. rel.hum. Dieter Topp)
Tags: Wagner, Fliegender Holländer, ungarische Staatsoper Budapest, Mozart, Don Giovanni
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