Erbrecht – neue Regeln durch EU-Verordnung
In Deutschland lebende Ausländer sowie Deutsche im Ausland müssen die gesetzliche Erbfolge sowie ihre Testamente überprüfen. Rechtsanwälte und Notare sind noch zurückhaltend.
Hamburg, 5. Februar 2013 – Weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit wurde vor einigen Monaten die EU-Erbrechtsverordnung (ErbRVO) auf den Weg gebracht. Betroffen sind viele Millionen Erblasser und Erben im In- und Ausland.
Schon heute haben in Europa ca. 10 Prozent der Erbfälle einen Auslandsbezug, weil z.B. der Erblasser nicht in seinem Heimatland wohnt oder er wesentliches Vermögen im Ausland hat. Die Planung und Abwicklung dieser bisher komplexen und konfliktträchtigen Erbfälle soll durch die EU-Erbrechtsverordnung (ErbRVO) erleichtert werden. Die Verordnung zielt dabei nicht auf die Abschaffung der einzelnen nationalen Erbrecht. So bleiben z.B. für das deutsche Erbrecht die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs weiter maßgeblich. Geregelt und harmonisiert werden dagegen insbesondere Fragen der Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts.
Wichtigste Neuerung: der Aufenthalt bestimmt das anwendbare Erbrecht
Die Frage des anwendbaren Rechts ist in den Erbfällen mit Auslandsbezug regelmäßig die wichtigste Weichenstellung. Nach welchem Erbrecht wird z.B. ein Grundstück in Frankreicht beerbt, dessen Eigentümer ein Deutscher ist, der überwiegend in Italien lebt? Diese Frage entscheidet bisher jedes europäische Land für sich selbst. Deutschland stellt beispielsweise auf die Staatsangehörigkeit ab, so dass ein Deutscher grundsätzlich nach deutschem Erbrecht beerbt wird. Andere Staaten orientieren sich aber auch durchaus am Aufenthaltsort des Erblassers oder am Belegenheitsort einer Immobilie. Die Vereinheitlichung dieser Frage nach dem anwendbaren Erbrecht ist ein Kern der EU-Erbrechtsverordnung.
Einheitlicher Anknüpfungspunkt ist nunmehr stets der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers. Dies führt beispielsweise dazu, dass ein in Italien lebender Deutscher künftig nicht mehr nach dem deutschen, sondern nach dem italienischen Erbrecht beerbt wird und ein in Deutschland lebender Italiener nach deutschem Erbrecht. Weiß man um die nicht unerheblichen Unterschiede zwischen beiden Rechtsordnungen, die sowohl die gesetzliche Erbfolge, das Pflichtteilsrecht und auch die Errichtung von Testamenten betreffen, lässt sich erahnen, welche gravierenden Folgen die Reform für zahlreiche Menschen in Europa hat.
Zuständigkeit & Nachlasszeugnis
Auch die internationale Zuständigkeit richtet sich künftig nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Hat der Erblasser seinen letzten Wohnsitz außerhalb der EU, sind die Gerichte des EU-Staates zuständig, in denen sich Nachlassvermögen (z.B. Immobilien, Bankkonten) befindet.
Eine weiter Neuerung ist die Einführung des Europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ) – ein EU-weit gültiges einzeitliches Zeugnis über die Erbenstellung (ähnlich dem deutschen Erbschein). Dieses Nachlasszeugnis soll die bürokratische Abwicklung internationaler Erbfälle erheblich erleichtern.
Die Beraterpraxis – Rechtsanwälte und Notare sind gefordert
Rechtsanwälte, Fachanwälte für Erbrecht und Notare – auch wenn sie auf das Erbrecht spezialisiert sind, tun sich nach wie vor schwer mit internationalen Erbfällen, da sie regelmäßig nur in der eigenen Rechtsordnung ausgebildet sind und so unter anderem gar nicht einschätzen könnnen, welches nationale Erbrecht für die Gestaltungsziele des jeweiligen Erblassers vorteilhaft ist. Ein wichtiges Instrument der Berater wird die Möglichkeit der Rechtswahl sein, nach der beispielsweise ein in Italien lebender Deutscher ungeachtet seines Aufenthalts per Testament deutsches Erbrecht für seine Nachfolge wählen kann.
Wesentliche Punkte der Erbrechtsverordnung sind noch ungeklärt. So dürften die Kriterien der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts künftig Rechtsgelehrte, Anwälte und Richter beschäftigen. Denn wo beispielsweise ein Deutscher, der im Winter überwiegend bei seiner Freundin in Italien und im Sommer bei seinen Kindern in Deutschland lebt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, dürfte alles andere als klar sein.
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