Warum die Inflation trotz Mietpreisboom so niedrig ist

Die Inflation ist schon lange nicht mehr das Schreckgespenst, das sie einst war. In den vergangenen zehn Jahren, seit Ausbruch der Finanzkrise, hat der böse Geist von einst seinen Schrecken für die Deutschen verloren. Das Niveau der Verbraucherpreise ist so niedrig, dass die Europäische Zentralbank (EZB) nichts unversucht lässt, die Teuerung anzutreiben – vergebens. Aber halt! Erleben wir nicht seit vielen Jahren einen Mietpreisboom in Deutschland? Haben sich in den Großstädten der Republik die Mieten seit 2007 nicht teilweise verdoppelt? Und müssten sich die irren Preissprünge bei Immobilien nicht längst auch in einem Anstieg der allgemeinen Inflationsrate niederschlagen?

2016 wurden die Mieten in deutschen Städten um 4,75 Prozent erhöht

Berechnungen der Bundesbank zufolge, die auf Angaben der Bulwiengesa AG basieren, stiegen die Preise für Wohneigentum in deutschen Städten im vergangenen Jahr um acht Prozent, nachdem sie sich zwischen den Jahren 2010 und 2015 schon um durchschnittlich 6,75 Prozent erhöht hatten. In den sieben größten deutschen Städten (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart) stiegen die Preise noch deutlich stärker. „Die Teuerungsrate bei vermieteten Wohnungen nahm in den Städten ebenfalls spürbar zu“, schreiben die Bundesbankökonomen. Bei Neu- und Wiedervermietungen gab es im Jahr 2016kräftige Mieterhöhungen um durchschnittlich 4,75 Prozent. In diesem Tempo könnte es 2017 weitergegangen sein. Doch die Inflationsrate zeigt sich unbeeindruckt.

Im Oktober nahmen die Verbraucherpreise um 1,6 Prozent zu, verglichen mit dem Vorjahresmonat. Deutlich teurer als ein Jahr zuvor waren Nahrungsmittel (plus 4,3Prozent), insbesondere Butter (plus 54 Prozent). Die Nettokaltmieten, die ein Fünftel der privaten Konsumausgaben ausmachen, verteuerten sich dagegen nur um 1,6 Prozent – also nicht mehr und nicht weniger als die allgemeine Inflationsrate. Betrachtet man die Ausgaben für Wohnung, Wasser, Strom und Energie, für die Privatleute beinahe ein Drittel ihres Budgets ausgeben, fällt der Anstieg mit 1,5Prozent noch moderater aus.

So mancher Mieter oder Hauskäufer mag sich angesichts seiner Erfahrungen in deutschen Städten fragen, wie verlässlich die monatlich errechnete Teuerungsrate überhaupt ist. Die Wiesbadener Statistiker errechnen sie allmonatlich anhand eines umfangreichen Warenkorbes, rund 600 Güter und Dienstleisungen stecken darin. Sie sollen die durchschnittlichen Konsumgewohnheiten der Deutschen widerspiegeln. So erfahren die Verbraucher, wie stark ihre Kaufkraft binnen eines Jahres gesunken ist, wie viel weniger sie also für ihr Geld bekommen. Und die EZB weiß, wie weit sie vom angestrebten Zwei-Prozent-Ziel für die Inflation entfernt ist.

Vor 15 Jahren glaubte auch kaum jemand den Forschern, dass es den Teuro nicht gibt

Ergebnis: Die Teuerung ist verblüffend gering – trotz Mietpreisboom. Thomas Krämer vom Statistischen Bundesamt weiß auch, warum. „Wir haben immer die Neuvertragsmieten im Kopf, da geht tatsächlich die Post ab. Aber nur zehn Prozent der Mieter ziehen übers Jahr hinweg um“, sagt Krämer. Bei den Altverträgen tut sich nicht viel, hier sind Mietpreiserhöhungen schwieriger durchzusetzen als bei Neuvermietungen. Und sie machen die Masse der Verträge aus. Hinzu kommen deutliche Preisunterschiede zwischen Stadt und Land sowie ein Ost-West-Gefälle. München ist, was Mieten betrifft, ein irre teures Pflaster. Wer aber in der sächsischen Provinz Wohnraum sucht, muss nicht viel zahlen.

Die Verbraucherpreis-Statistik zeigt: In den Stadtstaaten steigen die Mieten deutlich stärker als in den Flächenstaaten, im Westen schneller als im Osten. In Bremen etwa verteuerten sich die Nettokaltmieten seit 2010 um 18,5 Prozent, in Sachsen nur um 4,1 Prozent. In Bayern mussten Mieter eine Zunahme um 11,3 Prozent verkraften – in München deutlich mehr als in Deggendorf. Ähnlich sieht es in Berlin aus (plus 13,5 Prozent).

So entsteht ein statistischer Mittelwert, der sich nicht immer mit persönlichen Erfahrungen deckt. Statistiker Krämer kennt das schon. „Das ist wie vor 15 Jahren“, sagt er. „Damals hat uns auch keiner geglaubt, dass die Geschichten vom Teuro nicht stimmen. Nur die Gastronomie hat bei der Einführung des Euro über die Stränge geschlagen und die chemischen Reinigungen.“

Allerdings spiegelt die offizielle Verbraucherpreisinflation nur einen Teil der Wirklichkeit wider. Erstens, sagt Torsten Schmidt vom Wirtschaftsforschungsinstitut RWI, sei es schwierig, Neuvermietungen richtig zu erfassen: Hier müssen Qualitätssteigerungen berücksichtigt werden. Zweitens seien privat vermietete Wohnungen in der Stichprobe der Statistiker unterrepräsentiert.

Bleibt die Erkenntnis von Philipp Immenkötter vom Vermögensverwalter Flossbach von Storch: „Die Inflation ist längst da, sie hat sich bloß von den Güter- auf die Vermögenspreise verlagert.“ Immobilien, Aktien und andere Geldanlagen verteuerten sich bis Ende Oktober um 8,7 Prozent im Jahresvergleich.

 

Quelle: Süddeutsche Zeitung

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